Hiddensee - Fayencen-Keramik und die lange Dürre

Hiddensee - Fayencen-Keramik und die lange Dürre

22.06.2020 - Kategorien: Allgemein

Urlaub ist die schönste Zeit des Jahres, sagt man… auf Hiddensee ist auch das Arbeiten wie Urlaub! Wir vom Keramik-Kartell.de haben Freunde in der Künstlerkolonie in Kloster auf der langen Dürren (wie Hiddensee bei den Einheimischen heißt) besucht und uns, bei dem einen oder anderem Gläschen Sanddornlikör, inspirieren lassen. Eines Nachmittags gingen wir mit Hiddensees Reservatsleiter an der Steilküste spazieren. Die Schwalben haben sich die Nordküste rund um den Enddorn und der Hucke als Brutrevier auserkoren. Wir arbeiten gerade an einem neuen keramischen Projekt zur Unterstützung des Nestbaus für Vögel. Die Schwalben kamen uns also gelegen, da wir ihre Bedürfnisse beim Brüten besser verstehen wollten. Hoch oben in der Steilwand haben diese Könige der Wenigkeit ihre Nisthöhlen, geschützt vor jedem Feind. In der Steilwand findet sich neben Schwalben aber auch ein ganz anderer Schatz: Ton!

Hiddensee Ton in der Ostsee
Hiddensee getöpferte Schale am Strand

Diesen Schatz hatte um 1750 herum der schwedisch-pommerscher Kammerrat Joachim Ulrich Giese mehr oder weniger zufällig auf Hiddensee gefunden. Er hatte von seinem Vater ein kleines Handelsunternehmen geerbt und wollte dieses ausbauen. Durch den Fund von Tonerde auf seinem eigenen Land sollte es nun eine keramische Manufaktur werden. Keramik ist im 18. Jahrhundert eine erschwingliche alternative zum chinesischen Porzellan und es dauerte nicht lange, bis zum Verwechseln ähnliche Imitate erfunden wurden. Eine dieser Techniken sind Fayencen. Das Wort leitet sich vom italienischen Stadtnahmen Faenza ab und stellt den Ursprungsort der (neuen) Technik dar. Dabei werden die roten oder ocker/beigefarbenen Keramiken mit einer farbigen oder weißdeckenden Zinnglasur überzogen und anschließend geschrüht. Aufgrund dieser ist die ursprüngliche Tonfarbe nahezu abgedeckt.

Den verbliebenen (roten) Schimmer hat man mit einem Glasurbad aus Sand, Pottasche, Blei, Zinn und Wasser entfernen können und erhielt einen schneeweißen Scherben. Um den Keramiken nun den entsprechend asiatischen porzellanartigen Look zu verleihen, wurde zusätzlich Motive direkt auf die Glasur gemalt. Dies geschah entweder mit Scharffeuerfarben (wegen der hohen Temperatur beschränkt auf Blau, Mangan, Gelb, Grün, Rot, Braun und Schwarz) oder mit Muffelfarben (Metalloxide vermischt mit feingepulvertem, stark blei- und borsäurehaltigem Glas)

Joachim Giese und seine Fayencen Manufaktur

Joachim Giese gründete seine Stralsunder Fayencen Manufaktur in der Tribseer Straße 24 a im Jahr 1755 und schaffte es schnell zu einer der größten keramischen Manufakturen im Ostseeraum. Giese besaß das Land auf Hiddensee, auf dem er den Ton fördern lies. So arbeiten am Enddorn und der Hucke zwölf Mitarbeiter daran, die Tonerde abzubauen. Anfangs untersuchte der Protophysiker Bernhard Nicolaus Weigel noch regelmäßig die Beschaffenheit des Tons. In Stralsund wurde die gereinigte Tonerde verarbeitet und in die Welt exportiert.

Anfänglich wurden zwei Brennöfen betrieben, später kam ein Dritter hinzu - alle drei Holzbefeuert. Die Fayencen-Herstellung ernährte über hundert Menschen, denn der Bedarf an Keramik war damals sehr groß. Dazu kommt, dass Fayencegeschirr einen sehr guten Absatz brachte, denn die Porzellanherstellung war noch nicht sehr weit verbreitet. Den erwirtschafteten Reichtum konnte man im Herrenhaus der Gieses auf Hiddensee bewundern. Die Wände eines Zimmers waren vollständig mit Fayencekacheln aus der eigenen Manufaktur bekleidet, bemalt mit Vogel- und Schmetterlingsmotiven.

Hiddensee Fayencen-Keramik

Denn die Stralsunder Fayencefabrik fiel in etwa mit dem Zeitalter des Rokokos zusammen: Lebenslust, Beweglichkeit und Verspieltheit dieser Zeit spiegelte sich in ebenfalls den keramischen Fabrikaten wider.
Um sich nicht zu verzetteln (Giese besaß nebenher noch eine Heringssalzerei, Tuchmanufaktur und ein Bankkontor) verkaufte Giese die Fayencen-Manufaktur 1766 an Johann Ehrenreich. Dieser baute sie weiter aus und beschäftigte 1769 bereits 77 Arbeiter. Er war damit der größte Arbeitgeber in Stralsund und besaß die größte Fayencen-Manufaktur in Mittel-, Nord- und Nordosteuropa.

Diese Erfolgsgeschichte fand 1770 ein jähes Ende, als eine Explosion des Kröpkenturms die Manufaktur in Mitleidenschaft zog. Die 22 überlebenden Arbeiter wurden teilweise mit Fayencenkeramik statt Geld entlohnt und die Manufaktur nach mehreren Besitzerwechsel von ihren Gläubigern zwangsverwaltet. 1792 fand die keramische Fayencen-Manufaktur ihr Ende und verschwand im Laufe der Zeit. Heute kann man im Heimatmuseum in Kloster und in Stralsund noch einige der meisterlich gefertigten Produkte bewundern.
So fand ein Hiddenseer Exportgut ein vorzeitiges Ende und die Tonerde geriet in Vergessenheit. Das Meer nagte an der Steilküste und die Schwalben machen es sich in den Sandschichten dazwischen heimelig.

Wir haben am Strand unser Glück kaum fassen können und noch vor Ort die Beschaffenheit geprüft und stimmen mit Weigel überein: Damit kann man auch im Urlaub was machen!

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