Rügens wilder Ton und Ton selbst sammeln?

Rügens wilder Ton und Ton selbst sammeln?

30.03.2022 - Kategorien: Allgemein

Ton auf Rügen und Ton selbst herstellen

Keramischer Ton ist einer der ältesten Begleiter der Menschheit. Warum auch nicht, er ist schließlich verdammt praktisch, vielseitig und fast überall zu finden. Praktisch und vielseitig dürfte jedem klar sein. Schließlich haben wir seit tausenden von Jahren Häuser, Alltagsgegenstände und Nippes aus Ton hergestellt. Man denke nur an Klinkersteine, Dachziegel und den Römertopf. Aber wo kommt der Ton her und wo findet man ihn?

Zuerst: was ist Ton?

Ton ist verwittertes Gestein, speziell Schichtsilikate. Beim verrotten von Gebirgszügen entsteht einiges an Material, manchmal Kies, manchmal Sand und manchmal eben Ton - je nach dem, aus was das Gebirge bestand. Gebirge gab es irgendwann mal überall und dem entsprechend häufig ist Ton zu finden. Er ist in geringen Mengen in allen unseren Böden enthalten. Große Mengen an Ton findet man meist am Wasser.

Trockener Ton quillt im Wasser auf und zerfällt

Ton und Wasser, alte Bekannte

Ton und Wasser tauchen meist zusammen auf. Warum? Es ist eher so, dass das Wasser den Ton findet und nicht umgekehrt. Ton ist eine nahezu undurchdringbare Drainage für Wasser und darum 'lagert' sich das Wasser am Ton an. Gleichfalls besitzt Ton die Eigenschaft zu quellen. Wie Haferflocken zieht trockener Ton Wasser an bis er buchstäblich zerfällt. Besonders fruchtbare Böden haben übrigens einen hohen Tonanteil. Neben der Fähigkeit Wasser zu binden ist die Ionentauschkapazität zu nennen. Durch die Kationenaustauschkapazität der Tonminerale können mehr Nährstoffe wie Kalium- oder Ammoniumionen an Pflanzen abgeben werden.

Ton und Wasser gehören also irgendwie zusammen. Wasser gibt es auf Rügen zu genüge und so haben wir auf einem unserer Spaziergänge Ton gefunden. Jedoch, es ist kein reiner Ton und ist natürlich nicht mit dem kommerziell erhältlichen Ton zu vergleichen. Der 'wilde' Ton ist mit Sand, Wurzeln und anderem Material wie Muscheln durchsetzt. Dieses Gemisch ist der Menschheit sehr vertraut, denn es ist Lehm. Lehm besteht aus den drei Komponenten Ton, Sand und Schluff und man unterteilt bei mineralischen Teilchen in Korngrößenfraktionen.

Mineralische Teilchen unterteilt man unter anderem nach Größe. So lassen sich die drei Korngrößenfraktionen Sand (2 mm bis 0.063 mm), Schluff (0.063 mm bis 0.002 mm) und Ton (kleiner 0.002 mm) bilden.

Vorbereitung!

Natürlich kam uns vom Keramik-Kartell direkt ein Einfall und wir haben eine kleine Menge eingesammelt. Zum Testen reicht netürlich eine kleine Menge, es wusste ja niemand, obs klappt. Memo an uns selbst: Vielleicht das nächste Mal eine Schaufel und ein Eimerchen mitnehmen… Damit ihr nicht den selben Fehler macht, haben wir euch eine kleine Liste zusammen gestellt, was ihr braucht.

Am Strand gesammelter Ton auf Rügen

Benötigte Materialien

mehr Informationen
  • Schaufel oder Spaten
  • Eimer
  • Wasser
  • feinmaschiges Sieb
  • Spülbürste

Und jetzt? Schaufeln!

Nachdem man nun eine Stelle und das richtige Werkzeug hat, gehts ans buddeln und schaufeln. Grobe Verunreinigungen wie oben genannt können direkt vor Ort heraus sortiert werden. Wie gekommt man aber den Sandgehalt raus?

Ein einfacher Test, um den Sandgehalt abschätzen zu können: Sind die oberen Kanten rissig, ist der Anteil der Verunreinigung recht hoch. Wir haben einfach tiefer gegraben und den Test solange wiederholt, bis wir zufrieden waren. Man hätte auch die sandigen Proben verwenden können, braucht dann aber mehr Aufwand bei der Aufreinigung.

1.

kleine golfballgroße Kugel formen

2.

mit dem Finger hinein bohren

3.

Seitenwülste vorsichtig nach oben formen

Hiddensee getöpferte Schale am Strand

Das ist ein einfacher Test, um den Sandgehalt abschätzen zu können. Sind die oberen Kanten rissig, ist der Anteil der Verunreinigung recht hoch. Wir haben einfach tiefer gegraben und den Test solange wiederholt, bis wir zufrieden waren. Man hätte auch die sandigen Proben verwenden können, braucht dann aber mehr Aufwand bei der Aufreinigung.

Nachdem wir dann also unseren Fund nach Hause getragen haben, musste er noch aufgearbeitet werden. Das ist ein recht einfaches Prozedere für das man einen Eimer, ein feines Sieb, Spülbürste und Wasser benötigt. Dann geht’s auch schon los.

Gesammelten Ton mit viel Wasser wässern (gern über Nacht oder länger)

Grobe Verunreinigungen (Wurzeln, Blätter, Steine…) heraus sammeln

Ton mit Spülbürste durch das Sieb bürsten

Den nun im Eimer befindlichen Ton-Schlamm haben wir gut zwei Tage stehen lassen und dann den Wasserüberstand abgegossen. Wir haben unseren Ton direkt an der Ostsee gefunden und deshalb das Wasser noch ein paar Mal ausgetauscht (Stichwort: Salzgehalt).

Es gibt noch eine weitere Methode zur Reinigung, die nur in Punkt drei Abweicht: Statt den Ton mechanisch durch ein Sieb zu schubbeln, lässt man ihn einfach stehen. Nach einer Weile bildet sich ein 3-Phasen-Gemisch. Oben: Wasser, Mitte: Ton, unten: Sand/Steine was dann abgegossen wird. Man wiederholt das ganze dann, bis man genug aus der mittleren Phase zusammen hat. So ähnlich stellt man übrigens Terra Sigillata her, das berühmte römische Geschirr.

Ton und Gips? Vorsicht ist geboten!

Jetzt ist der im Eimer befindliche Tonschlicker sehr flüssig und ihm muss weiter Wasser entzogen werden - er soll schließlich knetbar werden. Dafür eignen sich Gipsplatten am besten, aber es ist Vorsicht geboten. Gips hat die tolle Eigenschaft Wasser binden zu können, verträgt sich aber nicht mit hohen Temperaturen. Spätestens beim Brennen des Tons rächt sich also im Zweifel der unsachgemäße Umgang mit den Gipsplatten. Alternativ kann man den Tonschlicker auch einfach im Eimer stehen lassen, bis genug Wasser verdunstet ist.

Endlich ist es dann soweit. Der „wilde“ Ton wird geknetet und die Schichtsilikate ausgerichtet. Dieser Schritt ist elementar, da es sonst zu einer Rissbildung im Scherben kommen kann. Guter Ton wird mehrfach und lange geknetet und dann wieder zum Ruhen weggelegt. Dieser Vorgang dauert gut und gern Monate und wird im Fachjargon „mauken“ bezeichnet. Hierbei durchsetzen Mikroorganismen den Ton. Algen, Schimmelpilze und Bakterien verdauen die organischen Anteile im Ton und zerkleinern die Masse immer weiter. Deshalb ist, auch wenn er weniger ansehnlich ist, veralgter Ton der Beste. Zum einen ist die Masse sehr homogen, zum anderen kann man sicher sein, dass nichts dem Ton beigesetzt wurde. Ach und keine Sorge, die erwähnten Mikroorganismen halten nicht mal den Schrühbrand aus! Wenn der rohe Ton speckig wird, ist er perfekt und es können erste Proben angefertigt werden.

Neuer Ton, neue Proben

Wir haben ja schon auf Hiddensee und an der Nordsee Ton gefunden, aber Proben müssen denn noch sein. Bewährt haben sich für den Anfang kleine Objekte wie Seifenschalen, kleine Becher oder Schmuck. Da wilder Ton unserer Erfahrung nach weniger Temperatur beim Brennen aushält, ist er eher für Deko-Keramik oder Raku-Keramik geeignet.

Wilder Ton nach der Aufarbeitung

frisch aufgearbeiteter wilder Ton, lederhart vor dem Schrühbrand

Vergleich Ton vor und nach dem Schrühbrand

Vergleich von wildem Ton, vor und nach dem Schrühbrand

Vergleich wilder Ton vor und nach dem Brand

Farbwechsel von wildem Ton jeweils vor/nach dem Schrühbrand

Die Farbe von Ton

Bis jetzt war jeder Ton, den wir gefunden haben, grau und nach dem Schrühen rot. Das wiederum liegt am im Ton enthaltenen Eisen und dessen Oxidationsstufe (wieder Stichwort Terra Sigillata). Wir müssten den Tonschlicker wahrscheinlich mehr waschen oder wie beim Porzellan mit Magneten das Eisen herausziehen. Man könnte ihn vielleicht auch statt ihn durch ein Sieb zu schrubbeln immer wieder abgießen.

Wir haben aus unserem Rügen-Ton übrigens maritime Ohrringe hergestellt und vielleicht hört man ja noch das Rauschen des Meeres?

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