Raku Keramik - Die Freude am Experiment

Raku bedeutet frei übersetzt „Freude“ und hat seinen Ursprung in Japan des 16. Jahrhunderts. Sie wurde von dem Teezeremonie-Meister Sen-no Rikyu erdacht und zeitlebens verfeinert. Er hat es geschafft, den Geist von Zen Buddhismus und der damit verwobenen Teezeremonie zu vereinen. Klassisches Raku legt Wert auf klare Formen und Strukturen, die Schlichtheit reduziert die Objekte auf das Wesentliche. Die durch diese spezielle Brenntechnik entstandenen Teeschalen besitzen in Japan das höchste Ansehen. Der bekannte japanische Ausspruch „ichi raku, ni hagi, san karatsu“ (zu deutsch: eins Raku, zwei Hagi und drei Karatsu), verdeutlicht die Wichtigkeit dieses Kulturgutes innerhalb der verfügbaren Tee-Utensilien und der japanischen Teezeremonie.
In den 1940ern gelangte Raku langsam in die westliche Welt, vor allem durch das Künstlerduo Soldner und Leach. Die brachen die klassisch japanische Raku-Teekultur, das vom Minimalsimus lebt, auf und führten eine diverse Formen und Farbpalette ein. Heutzutage zeichnet sich Raku-Keramik durch eine kontrastreiche Farbwechsel, niedrige Brenntemperatur und eine kurze Brenndauer aus.
Grundsätzlich können alle Tonsorten und sogar Porzellan Raku gebrannt werden. Auch können fast alle niedrig ausschmelzenden Glasuren verwendet werden - dabei ist es jedoch mehr eine Geschmacksfrage als eine Frage der Machbarkeit. Die Krux daran ist, dass es gleich mehrere Fallstricke gibt die sich auch noch auf unterschiedlichen Gebieten befinden und dem Keramiker Konzentration, Vorstellungskraft, Planungssicherheit, Können und Kraft abverlangen. Letzt endlich ist Raku als Lust am Experiment zu verstehen.
Ich werde mich im Weiteren Verlauf in den Beschreibungen auf ein von mir bewährtes Raku-Brennverfahren konzentrieren und nur am Rande ggf. abschweifen.
Beim Raku werden die Keramiken gelbglühend bei mehr als 1000 °C aus dem Ofen genommen und mit der Zimmertemperatur konfrontiert. Beim Herausnehmen kommt es innerhalb von kürzester Zeit zu einem Temperatursturz von circa 500 °C und die Keramiken müssen das aushalten. Dies ist zwar fast das Ende des Fertigungsprozesses, damit aber die Werke bis dorthin gelangen, muss man entsprechenden beginnen.

Welcher Ton ist der richtige für Raku?

Es gibt unzählige natürliche Tonarten und noch viel mehr Varietäten sind in den Spezialmischungen zu finden. Für die Raku-Keramik ist ein sehr strapazierfähiger Ton von Nöten. Gleichfalls sollte er weiß, möglichst mit Kaolinzusatz, sein um einen schönen Kontrast zu den Glasuren zu bieten und so den Charakter von Raku noch weiter zu unterstreichen. Eine weitere Frage, den man zu Beginn beantworten muss, ist, was man fertigen möchte und vor allem wie. Es ist, wie man sich denken kann, also ein Balanceakt zwischen den einzelnen Anforderungen und des Zweckes. Um eine entsprechende Strapazierfähigkeit zu erlangen, mischt man dem Ton Schamotte unter. Schamotte ist nichts anderes, als bereits einmal gebrannter Ton der dann zu kleinen Kugeln zermahlen wurde. In der Tonmasse verleiht er dieser Stabilität und Haltepunkte für die feineren Partikel innerhalb der Mischung. Die Schamottekugeln sind in unterschiedlichsten Körnungen und Mengenverhältnissen dem Ton untergemischt. Für gebautes Raku ist ein 25 %iger Schamotteanteil mit einer Korngröße bis 0.5 mm das Mittel der Wahl und liefert verlässlich gute Ergebnisse.

Mann knetet braunen Ton

Man kann sich denken, dass diese Partikel rau beziehungsweise scharfkantig sind und der Ton im Ganzen organischer ist. In sofern man händisch baut ist das kein Problem, man merkt es kaum. Allerdings wird der Schamotteanteil und die Korngröße ein Problem, wenn man an der Drehscheibe arbeitet. Es wird kontinuierlich Sandpapier durch die Handflächen und Finger geschmirgelt. Man sollte also für gedrehtes Raku zum einen sehr versiert sein an der Drehscheibe (das bringt Geschwindigkeit in der Verarbeitung) und zum anderen einen weniger stark schamottierten Ton verwenden. Dafür hat sich 10 % Schamottierung bis zu einer Korngröße von 0.2 mm bewährt. Angenehm ist es noch immer nicht, aber nach 1-2 Tagen intensiven Handpflege sind die größten Blessuren verheilt. Nachdem man nun die Entscheidung getroffen hat, was man fertigen möchte für den Raku-Brand, ist die Verarbeitung bei der Fertigung das A und O.

Es gilt auch hier Qualität vor Quantität.

Die Fertigung von Raku-Keramik

Bei der Fertigung von Aufbaukeramiken, die für den Rakubrand bestimmt sind, ist von Vorteil, schon eine Weile mit Ton zu arbeiten. Zum einen um die Techniken, Möglichkeiten sowie Handgriffe zu kennen und zum anderen, um die Limits von Ton im Allgemeinen zu kennen. Es handelt sich schließlich um einen organischen Werkstoff, der mit unter unleidlich ist und es mit unter während der Fertigung werden kann.

Im Großen und Ganzen sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt, was gefällt kann gebaut werden. Man muss jedoch das ein oder andere beachten. Zum einen ist da die Wanddicke zu nennen; 1 cm hat sich dabei als gutes Maß bewährt. Wenn man dünner baut, ergeben sich später beim Herausnehmen aus dem 1000 °C heißen Ofen Probleme. Die dafür verwendeten Eisenzangen sind nicht unbedingt filigran oder als Feinwerkzeuge zu bezeichnen. Es besteht eine ernst zu nehmende Gefahr, dass man die Raku-Keramiken mit den Zähnen der Zange schlicht durchbeißt. Wenn man dicker baut ergeben sich gleich zwei Probleme: Thermik und Gewicht. Im Ofen sollen alle Keramiken gleich mit Hitze durchströmt werden und sich möglichst gleichmäßig erwärmen. Jenes gewährleitestet auch ein ebenmäßiges ausschmelzen der Glasuren auf den unterschiedlichen Stücken, da alle in etwa gleich heiß werden. Der andere Punkt ist das Gewicht. Wenn die Keramiken aus dem 1000 °C heißen Ofen kommen, ist man mit Hitze-Schutzkleidung, inkl. Maske und Thermohandschuhen eingepackt - denn noch ist es verdammt heiß. Die Eisenzangen besitzen ein gewisses Eigengewicht von in etwa 2-3 kg. Wenn man dann jetzt noch eine 5 kg Keramik aus dem Ofen heben soll, gelangt man an seine Grenzen.

grauer Teller auf der Drehscheibe

Bis jetzt bin ich nur auf handgebaute Raku-Keramik eingegangen. Beim gedrehten Raku ist es nicht viel anders. Die Wandstärke kann jedoch unterschritten werden, bis auf circa 0.5 cm. Gedrehte Keramik ist aufgrund des Fertigungsprozesses eine homogenere Masse. Durch die Drehbewegung auf der Drehscheibe wurden die Partikel innerhalb des Tons alle in dieselbe Richtung ausgerichtet. Es ist aufgrund dessen unwahrscheinlich, dass es zu systemrelevanten Spannungsrissen kommt. Tendenziell ist Gewicht hier auch ein Fallstick, jedoch ein eher vernachlässigbarer. Aufgrund der geringeren Wandstärke lässt sich bei gleichem Ausgangsgewicht deutlich mehr Volumen erzeugen. Als konkretes Beispiel sind hier Raku-Teeschalen zu nennen. Eine handgebaute ist dicker gebaut als eine gedrehte - bei gleicher Ausgangsmasse wird in die gedrehte Teeschale denn noch mehr Tee passen. Es ist also problemlos möglich, weniger Ausgangsmasse einzusetzen und so Gewicht zu sparen.
Es gilt die Faustregel: So dick wie nötig, so dünn wie möglich.
Wenn die Keramiken an der Luft völlig getrocknet sind, werden sie in den ersten Brand, den Schrühbrand, gestellt. Nach diesem stehen die Keramiken für die eigentliche Raku-Technik, den Raku-Band, bereit.

Die Glasur für den Raku-Brand

Die Raku-Technik ist anders als andere Techniken, das macht sie auch so besonders. Es beginnt beim Glasieren der zuvor geschrühren Keramiken. Glasur ist im Prinzip zermahlenes Glas welches mit Oxiden und Wasser versetzt wird. Diese Mischung hat in etwa die Konsistenz von Sahne und muss vor jeder Verwendung vollständig und gründlich aufgerührt werden. Die enthaltenen Kristalle und Oxide setzen sich sehr schnell ab und das Wasser steht ohne "Inhalt" oberhalb der eigentlichen Glasur. Bei manchen Bränden oder Projekten ist dies ein gewünscher Effekt, da man so mit unzureichend aufgerührter Glasur grandiose Farbverläufe erreichen kann und auch die einfachste Form so aufwertet.

Beim Glasieren ist der Fantasie keine Grenze gesetzt - Erfahrung hilft jedoch auch hier, grobe Fehler zu vermeiden und führt zu schöneren Resultaten. Die beste Farbe ist jedoch das Schwarz des Schwelbrandes. Es fordert etwas Vorstellungskraft, denn beim Raku wird alles Glasurfreie schwarz. Dieser Kontrast ist als gestalterische Komponente keinesfalls zu unterschätzen. Es ist natürlich Geschmackssache, aber weniger meist mehr. Genau dieser Leitspruch ist es, was klassisches Raku auszeichnet und mit seiner Herkunft, dem Sen Buddhismus, Hand in Hand geht. Die von Sen no Rikyū entwickelte Technik lebt von der Reduktion, dem Minimalismus und klaren Formen beziehungsweise Stukturen. Was man auch nicht vergessen darf ist, dass neben den verwendeten Farben noch eine dazukommt. Das Getränk ist in den seltensten Fällen völlig farblos - Sake ist da ein gutes Kontrabeispiel.

Keramik-Kartell - Glasieren

Der Raku-Brand

Als Raku-Ofen lassen sich verschiedenste Befeuerungsarten (Gas, Elektro oder Holz) verwenden und alle haben ihre Vorteile bzw. Nachteile und Eigenarten. Ihnen allen gleich ist eine große Öffnung, die ein Einfaches hineinstellen und herausnehmen der Keramiken ermöglichen. Gleichfalls ist bei einem Raku-Brand immer auf Arbeitsschutz zu achten. Es sollten immer lange Kleidung aus Baumwolle, Thermo-Handschuhe, Schutzbrille, Wollmütze für die Haare und vor allem ein Mundschutz (mindestens eine FFP2-Maske) getragen werden. Aufgrund des stattfindenden Funkenfluges ist auch die Umgebung im Auge zu behalten und Wasser sollte immer reichlich bereit gestellt sein.
Nachdem der Raku-Ofen in etwa 1000 °C erreicht hat, muss immer wieder kontrolliert werden, ob die Glasur an allen Stücken sauber ausgeschmolzen ist. Ein geschultes Auge ist von Nöten, das Geheimnis ist der Glanz! Es ist ein ganz Spezieller und wenn man ihn einmal gesehen hat, weiß man wovon ich rede.

Jetzt zum Eigentlichen! Die Keramiken werden gelbglühend mit einer Zange aus dem Ofen genommen. Es handelt sich dabei nicht um Grillzangen vom Sonntagsbarbeque im Park. Das sind ca. 1 Meter lange Eisenzangen mit kleinen Zähnen dran und einem kapitalen Eigengewicht. Um eine Wärmeweiterleitung möglichst zu unterbinden haben sie zumeist noch holzummantelte Griffe. Mit diesen Zangen greift man nun in den Ofen und holt die Teeschalen oder anderen Objekte heraus. Sie leuchten dabei wie Lava, weil sie so heiß sind wie Lava! In einem Zug werden die Keramiken in eine Tonne mit Sägespänen oder anderem gut brennbaren organischen Material gelegt. Manche bevorzugen Laub, andere Zeitungspapier. Klassischer weise wurden jedoch Hobelspäne verwendet, da diese vom klassischen befeuern der Öfen bereits vorhanden waren. Die heißen Keramiken entzünden die Späne sofort und bringen alles zum Rußen und Schmauchen.

Der nun folgende Temperatursturz führt zu den für Raku typischen Risse (Craquelé) der Glasur und Keramiken. Genau das ist auch der Grund, warum Raku so eigen ist. Es kommt nicht nur auf ausgereiftes handwerkliches Geschick bei der Fertigung an. Die Keramiken selbst sind immensen Kräften ausgesetzt, der Ton muss das aushalten und er muss die Spannungsrisse der Glasur abfedern. Es kommt, wie beschrieben, immens auf den Ton selbst an - man hört es kontinuierlich knacken, knirschen und krachen. Als Vergleich ist das Geräusch eines Eiswürfels der mit Wasser begossen wird ganz treffend. Dies ist der Moment, in dem eine Raku-Keramik geboren wird.

Raku ist aus dem Feuer geboren, dieses schwelt nun und schwärzt alle glasurfreien Oberflächen und die entstandenen Craquelérisse. Final, nach dem Erkalten, müssen die Keramiken noch ausgiebig mit einem rauen Schwamm und Stahlwolle geschrubbt werden, da die verbrannten organischen Materialien in die Glasur eingebrannt sind.

Aufgrund seiner Entstehungsgeschichte riechen Raku-Keramiken nach dem Brand stark und sind nach dem Brand nicht wasserdicht. Die verhältnismäßig niedrigen Temperaturen reichen nicht aus, um die im Ton enthaltenen Mineralien auszukristallisieren. Aber Raku wäre nicht Freude, wenn es für diese Problematik nicht eine pragmatische Lösung gäbe. Sie lautet Zeit. Raku hat seinen Ursprung im Zen-Buddhismus, Raku ist geboren aus Entschleunigung. Die industrialisiere Welt ist hektisch genug. Beim Genuss eins Tees aus einem handgefertigten Raku Chawan ist es, als hätte die Welt eine Pause. So kommt es, dass der Chawan, Vase oder Teller über die Zeit durch die im Tee oder Wasser enthaltenen Schwebstoffe versintert und nach einer Weile der Benutzung absolut wasserdicht ist. Zu diesem Zeitpunkt ist auch der Geruch nach Feuer, Asche und Ruß schon lange verflogen.


Wie bei allem im Leben - Gut Ding will Weile haben. Damals wie heute.