Naked Raku - nackt am Ofen?

Nein, natürlich ist beim Naked Raku niemand nackt am Ofen! Wir ziehen uns dick an und achten auf den Arbeitsschutz - vor allem ein Gesichts- und Atemschutz ist unerlässlich! Die Keramiken werden bei mehr als 1000 °C gelbglühend aus dem Ofen genommen, bitte achtet auch auf Euren Arbeitsschutz und nehmt Ihn nicht auf die leichte Schulter.

Jetzt machen wir die Keramik nackig!

Ein kleiner Einblick in die Geschichte des Raku

Raku (jap. 楽焼, rakuyaki) ist eine alte japanische Brenntechnik und findet weltweit Anklang. Bei der im 16. Jahrhundert entwickelten Technik spielen Wabi Sabi, das Konzept der Schönheit am Makel, und der Buddhismus mit seinem Ansatz des Minimalismus eine große Rolle. Als Erfinder des Raku gilt der nicht-japaner und Dachziegelmacher Chōjirō. Dieser hat unter der Leitung von Sen no Rikyū, ein Teezeremonie-Meister, die Technik erfunden. Die Wichtigkeit dieses japanischen Kulturgutes für die Japaner wird durch das japanische Sprichwort „Ichi Raku, ni Hagi, san Karatsu“ (eins Raku, zwei Hagi, drei Karatsu) deutlich. Die Raku Technik ist bis heute eine Säule der japanischen Keramik.

Nach Europa gelangte Raku um 1940 herum mit den beiden Briten Soldner und Leach. Diese hatten die Technik auf einer ihrer Reisen in Japan entdeckt wandelten das traditionelle Raku etwas um. Es war für den westlichen Geschmack wohl etwas zu archaisch und minimalistisch. Auf diese Weise erschufen sie das „westliche Raku“ welches sich bis heute an steigender Beliebtheit erfreut und bezaubernde Raku Keramiken erschafft.

Westliches Raku, die Basics

Beim Raku werden die Keramiken meist aus einem sehr weißen, hochbrennenden Ton gefertigt. Er enthält zudem sehr viel Schamotte sowie Sand bzw. Bims und ist wenig gemaukt. Dieser magere Ton enthält gleichfalls wenig Kalk und wird meist mit Talkum und Lithiumoxid versetzt. Er ist dadurch wenig plastisch, dies hat jedoch den Vorteil, dass er sehr robust ist, wenig schrundet und einen schönen schwarz/weiß Kontrast bietet.

Beim Raku und vor allem beim Naked Raku werden die Keramiken etwas dicker gefertigt, als es im ersten Moment nötig erscheint. Jedoch dürfen die Keramiken beim Herausnehmen aus dem Ofen nicht zu viel Wärme verlieren, da es sonst zu Spannungsrissen innerhalb des Tons kommt.

Raku Keramik - Keramiken werden gelb glühend aus dem Ofen genommen

Der rapide Temperatursturz verlangt den Keramiken alles ab

Nachdem die Keramiken im Schrühbrand gebrannt wurden, werden sie mit einer Raku-Glasur glasiert und im Raku-Glasurbrand gebrannt. Dieser wird sehr schnell hochgeheizt auf ca. 1000 °C. Meist geschieht dies mit einem Gasbrenner, da Holz etwas mehr können und vor allem Überwachung erfordert. Wenn die Temperatur erreicht ist und die Glasuren ausgeschmolzen sind, werden die gelbglühenden Keramiken bei mehr als 1000 Grad Celsius aus dem Ofen genommen.

Raku Brand Sägespäne streuen
Raku Brand erkaltete Keramiken in der Asche

Die verwendeten Zangen sind gut 3 kg schwere, mit Zähnen bewährte, Instrumente und nicht gerade als filigran zu bezeichnen. Jedoch fertigt man beim Raku etwas dicker, so dass die Eisenzangen den Keramiken nicht anhaben können. Beim Herausnehmen werden die Keramiken in ein organisches Material (Laub, Sägespäne, Grasschnitt) gelegt. Durch die Hitze entzünden die Keramiken die zumeist verwendeten Sägespäne sofort und es kommt zu einem Schwelbrand in den Blechtöpfen. Durch die starke Rauchentwicklung ist es ratsam, Raku nur im Freien durchzuführen und gegebenen Falls die Waldbrandstufen im Hinterkopf zu haben. Ein Funkenflug lässt sich beim Raku nicht vermeiden!

Durch den Sauerstoffentzug in den Töpfen beim Schwelbrand kommt es zu einer chemischen Veränderung innerhalb der Glasuren. So wird aus einer azurblauen Glasur aufgrund des Kupfers unter Sauerstoffentzug Kupferrot. Der Rauch des Schwelbrandes findet den noch so kleinen Riss innerhalb der Glasur und der Kohlenstoff aus den Organischen Materialien setzt sich in die Cracks der Glasur - Ein unverwechselbares Craquelé entsteht und macht jede Raku-Keramik einzigartig. Als besonderes Highlight sind organische Abdrücke zu werten. Diese geschehen manchmal, wenn sie auf die noch weiche Glasur treffen, selten ist auch ein Zangenabdruck zu finden.

 

Nur die Glasur soll reißen

Raku-Glasuren sind niedrig ausschmelzende fritten, die mit Oxiden versetzt ein großes Farbspektrum aufweisen. Der Schwelbrand in den Sägespänen färbt alle unglasierten stellen auf den Keramiken in ein seidenmattes schwarz ein. Das einzigartige Craquelé hingegen kommt durch die risse in der Glasur zu Stande, denn der Ruß findet jeden noch so kleinen Riss. Nach ca. 45 min räuchern in den Sägespänen sind die Keramiken bereit herausgenommen zu werden und können abschließend mit einem rauen schwamm ausgiebig geschrubbt werden.

Soweit das „westliche Raku“. Wir haben, wer es genauer wissen will als diesen kurzen Überblick, einen Raku Brand einen Tag begleitet und geben in einem weiteren Beitrag nützliche Tipps und Tricks fürs Raku. Nun zum Naked Raku.

Porzellan wird garniert

Naked Raku

Naked Raku hat seinen Namen, weil es nacktes Raku ist. Denn die Glasur blättert ab und lässt auf der Keramik selbst das schöne schwarze Craquelé zurück!
Beim naked Raku werden die Keramiken ebenfalls aus einem möglichst weißen, also kaolinhaltigen Ton hergestellt und etwas dicker gebaut. Es ist bei der Fertigung bereits besonderes auf die Oberfläche der Keramik zu achten. Diese muss möglichst glatt und ebenmäßig sein. Am besten poliert man diese mit einem Trommelstein oder schleift sie nach dem Schrühbrand mit sehr feinem Sandpapier ebenmäßig glatt. Hier zahlt es sich aus, pingelig zu sein und lieber 10 Minuten mehr zu polieren und zu schleifen.

Trennengobe fürs Naked Raku

Die Trennengobe

Bei keramischen Engoben handelt es sich klassischer Weise um Ton, der Metall-Oxide enthält. Bei roter Engobe ist der Ton zum Beispiel mit Eisen versetzt, bei schwarzer Engobe enthält der Ton Mangan. Beim Naked Raku kommt der schöne schwarze Craqueléeffekt durch den Kontrast zum weißen Ton besonders zur Geltung. Aufgrund dessen muss die Trennengobe frei von Oxiden und anderen Farbköpern sowie Schamotte sein. Sie ist zumeist eine dickflüssige Maße und jeder Raku-Keramiker hat sein eigenes Rezept. Wir haben festgestellt, dass eine Quarz / Kaolin-Mischung am besten für uns funktioniert. Theoretisch ist es möglich, dickflüssigen Schlicker von weißem Ton zu verwenden. Die Trennengobe ist beim Naked Raku elementar und ohne geht es nicht, denn sie ist die Schutzschicht zwischen Keramik und Glasur. Die glatt geschliffen Keramiken werden mit einem feuchten schwamm sauber abgewischt und trocknen noch einmal in etwa 15 Minuten. Nun wird die Trennengobe großzügig auf alle Stellen, die später weiß sein sollen, aufgetragen. Dies kann mittels aufpinseln, tauchen oder übergießen geschehen. Es gibt bei der Verwendung von Trennengobe kein „Zuviel“, jedoch ist zu bedenken, dass der Ruß beim Brennen in den Sägespänen noch an die Keramik herankommen muss. Dann heißt es wieder trocknen.

Die Naked Raku-Glasur

Theoretisch kann jede Glasur zum Glasieren von Naked Raku verwenden werden, denn durch die Trennengobe blättert sie wieder ab. Jedoch sprechen dem entgegen, dass die Glasur für ein schönes Naked Raku craquelieren muss, denn nur so kann der Ruß vom Schwelbrand in den Sägespänen an die Keramik gelangen. Als weiteren Punkt für eine separate Naked Raku Glasur ist zu bedenken, dass beim Glasieren der mit Trennengobe bestrichenen Keramik, Staub und Trennengobe in die Glasur gelangt. Diese Verunreinigungen sorgend dafür, dass die Glasur Brillanz verliert und im Laufe der Zeit blind und sogar matt wird.

01
Teil Gerstleyborat
01
Teil Nephelinsyenit

Es ist also sinnvoll, eine eigene Naked Raku Glasur herzustellen bzw. anzusetzen. Als Glasur verwenden wir meist Gerstleyborat und Nephelinsyenit, die wir 1 + 1 ansetzen. Es gibt jedoch eine endlose Zahl an Glasur-Rezepten und es ist eine Geschmacksfrage, welche man verwenden möchte. Bei der Glasurherstellung ist darauf zu achten, dass man nicht zu viel herstellt. Diese Mischung neigt nach ca. einer Woche zum auskristallisieren und ist dann nicht mehr verwendbar, schade drum. Es bedarf keine großen Volumina beim Glasieren von Naked Raku Keramiken, denn die Glasur muss nicht ordentlich oder gleichmäßig aufgetragen werden. Da sie wieder abblättert, kann man hier richtig rumschweinern. Nachdem die Keramiken nun mit Trennengobe und Naked Raku Glasur behandelt sind, müssen sie ausgiebig trocknen. Es ist ratsam, das Glasieren am Vortag zum Raku Brand durchzuführen oder die Keramiken einige Stunden bei zirka 60 °C im Ofen trocknen zu lassen.

Keramiken, die auf dem Raku-Ofen trocknen
Naked Raku Keramik wird mit Wasser begossen

Der Naked Raku Brenntag

Beim Naked Raku weicht der Brenntag kaum vom normalen Raku ab. Die Keramiken werden ebenfalls bei 1000 Grad Celsius aus dem Ofen genommen und in organisches Material platziert. Sägespäne eignen sich besonders, denn sie sind leicht zu beschaffen und leicht zu dosieren. Die Glasur erhält, wie beim normalen Raku, Spannungsrisse und bildet ein schönes Craquelé. Nach dem die Keramiken nun in den Sägespänen sind, trennt sich Naked Raku vom normalen Raku. Denn die Keramiken werden nach ca. 10 min wieder herausgenommen! Es wird knifflig und bedarf nun Fingerspitzengefühl, denn es kommt Wasser ins Spiel. Die noch immer gut 700 °C heißen Keramiken werden nun auf eine saubere, hitzebeständige Oberfläche gestellt und zu Beginn erst vorsichtig mit Wasser bespritzt. Dieser extreme Temperaturunterschied lässt die Trennengobe von der Keramik platzen wie eine Eierschale von einem hartgekochten Ei. Wie Schuppen fließen die Engobe/Glasur Scherben an der Keramik herunter. Nachdem die Keramik etwas abgekühlt ist, kann mit reichlich Wasser den Rest herunter waschen. Aber Vorsicht, die Schuppen sind scharfkantig und schneiden bei der kleinsten Berührung wie kleine scharfe Keramikmesser.

Putzen und polieren der Naked Raku Keramiken

Nun zeigt sich, ob bei der Fertigung gut poliert wurde und die Akribie zahlt sich aus! Umso glatter die Oberflächen der Keramik sind, umso schlechter kann die Trennengobe in die Poren einziehen und sich festsetzen. Bei gut polierten Oberflächen reicht es, mit einem sauberen Schwamm drüber zu wischen. Meistens hingegen muss man die Trennengobe mühsam mit einem Modelierhölzchen oder ähnlichem abkratzen. Man sollte metallische Gegenstände vermeiden, da sie unschöne graue schlieren auf der weißen Oberfläche hinterlassen und sich nicht mehr entfernen lassen.

Das Finishing

Abschließend werden die sauberen und vor allem trocknen Naked Raku Keramiken mit einer Bienenwachspolitur eingerieben und poliert. Diese Behandlung lässt sie seidig schimmern und macht sie Widerstandsfähiger. Wir haben Euch die Herstellung der Raku-Politur in einem unserer Blogbeiträge zur Verfügung gestellt.

Grundsätzlich sind keine Raku Keramiken wasserdicht und somit auch nicht frostfest. Bei Teeschalen und anderem Essgeschirr ist das für gewöhnlich jedoch kein Problem. Die im Teewasser enthaltenen Schwebstoffe dichten die noch wenigen offenen Kanälchen innerhalb des Craquelés rasch ab und machen die Teeschalen so wasserdicht. Vasen und ähnliches lassen sich mit einem Dichtungsmittel innerhalb von 12 h abdichten - dieses ist jedoch nicht für Essgeschirr geeignet! Generell ist Naked Raku für Essgeschirr denkbar, es ist schließlich nur Ton und Kohle. Jedoch ist es durch die offenen Poren und die nicht mit Glasur versiegelten Oberfläche weniger hygienisch als normales Raku. Als Gartenkeramik eignen sich beide, insofern man sie im Winter frostfrei unterbringt und die Oberflächen beim Naked Raku versiegelt sind.