Seladon - Die stille Poesie der Keramik
Seladon - auch Celadon geschrieben - ist weit mehr als nur eine Glasur. Es ist ein sinnliches Erlebnis, eine kulturelle Brücke zwischen Jahrhunderten und ein Symbol für das Feine, das Subtile. Die Glasur liegt farblich irgendwo zwischen zartem Jadegrün, grauem Oliv und einem Hauch von Blau. Doch ihre Faszination liegt nicht allein in der Farbe, sondern in ihrer Wandelbarkeit. Je nach Lichteinfall, Dicke des Auftrags, Tonmasse und Brennatmosphäre wirkt sie jedes Mal ein wenig anders. Mal kühl, fast bläulich - mal warm, jadegrün oder grauoliv. Eine Farbe mit Tiefe, Zurückhaltung und Seele.
Die Ursprünge dieser besonderen Glasur liegen im alten China - vermutlich bereits während der Östlichen Han-Dynastie (25-220 n. Chr.). Ihren Durchbruch erlebte sie jedoch während der Song-Dynastie (960-1279), einer Zeit, in der Schlichtheit, Eleganz und Naturbezug in der Kunst besonders geschätzt wurden. Die chinesischen Keramiker dieser Zeit wollten das Aussehen von Jade - einem der edelsten Materialien - in keramischer Form nachahmen. Und das gelang ihnen auf beeindruckende Weise: Die Glasur wurde zum Symbol für Reinheit, Schönheit und Würde.
Die berühmtesten Seladone stammen aus den Longquan-Kilns in der heutigen Provinz Zhejiang. Im 12. und 13. Jahrhundert entwickelten sie dort eine Perfektion in der Technik, die ihre Werke weit über China hinaus bekannt machte. Über die Seidenstraße und Seewege gelangten Seladon-Gefäße nach Korea, Japan, in den Nahen Osten und später bis nach Europa. In jedem dieser Länder wurde Seladon neu interpretiert, aber seine seidig-grüne Essenz blieb stets erhalten.
Eisen Eisen und immer wieder Eisen
Ein zentrales technisches Merkmal der Glasur liegt in der Verwendung von Eisenoxid. Dieses färbt die Glasur unter reduzierender Atmosphäre - also bei Sauerstoffmangel im Brennofen - grün. Wird hingegen mit Sauerstoff gebrannt (oxidierend), schlägt die Farbe in gelblich-braune Töne um. Diese Feinheit macht Seladon-Brände besonders anspruchsvoll: Schon kleinste Veränderungen im Brennklima oder der Glasurdicke können das Ergebnis dramatisch beeinflussen. Das macht die Arbeit mit Seladon so spannend - aber auch herausfordernd.
Besonders charakteristisch sind auch die sogenannten Craquelé-Muster, die bei vielen Seladon-Glasuren auftreten. Dabei handelt es sich um feine Haarrisse, die während des Abkühlens entstehen. Sie wirken wie zarte Netzwerke oder Landkarten auf der Oberfläche - jede ein Unikat, das seine eigene Texturgeschichte erzählt.

In Korea, insbesondere während der Goryeo-Zeit (918-1392), wurde Seladon ebenfalls hoch geschätzt. Koreanische Varianten zeigen häufig feinere Craquelé-Strukturen und kunstvolle Inkrustationen oder Gravuren unter der Glasur - technische Meisterleistungen, die bis heute bewundert werden. In Japan wiederum passte Seladon perfekt in die Ästhetik des Wabi-Sabi - die Schönheit des Unvollkommenen und Vergänglichen - und wurde besonders durch den Einfluss der chinesischen Teekultur bekannt.
Dicke, Craquelé, Eisen, Zeit
Auch heute noch fasziniert Seladon Keramiker:innen auf der ganzen Welt. Gerade auf handgeformten Gefäßen, mit ihrer sanften Unregelmäßigkeit, entfaltet sich die Glasur in all ihrer Tiefe. Dickere Glasurschichten wirken milchig, fast opak; dünnere lassen die Struktur des Tons durchscheinen. Kein Stück gleicht dem anderen - jedes ist ein kleines Wunder, geboren aus Erde, Feuer und Zeit. Es ist eine ständige Balance zwischen Kontrolle und Loslassen, zwischen Handwerk und Zufall.
Interessanterweise kam der Begriff „Seladon“ selbst erst im 17. Jahrhundert nach Europa. Der Name soll sich auf die Figur „Céladon“ aus einem französischen Schäferroman beziehen - ein junger Mann in grünlichen Gewändern, dessen Kleidung an die zarte Farbe der ostasiatischen Keramik erinnerte. Seitdem hat sich der Begriff in der westlichen Welt etabliert.

Seladon ist kein lauter Blickfang - es ist stille Schönheit, die sich erst bei genauerem Hinsehen entfaltet. Es steht für Achtsamkeit, für das Unspektakuläre, das doch so tief wirkt. In einer Welt voller greller Eindrücke ist Seladon wie ein stilles Gedicht aus Ton und Licht - ein Hauch Ewigkeit in Keramik.
Welche Feuertechnik ist optimal für Seladon?
Die optimale Feuertechnik für Seladon ist der reduzierende Hochbrand - also ein Brand bei sehr hohen Temperaturen (meist zwischen 1240 °C und 1300 °C) unter Sauerstoffmangel. Hier sind die Details, warum das so ist:
Ofen
mehr InformationenTechniken & Ofentypen
Gasofen oder Holzofen:
Diese Öfen erlauben es, die Atmosphäre zu kontrollieren und auf „reduzierend“ umzustellen - besonders in der Hochtemperaturphase
Elektroofen:
Standardmäßig nur oxidierend (Sauerstoffüberschuss). Seladon kann darin eher oliv oder gelblich werden. Es gibt aber spezielle Brenntechniken und Zusatzstoffe, die auch im Elektroofen ähnliche Effekte erzielen können - sie kommen aber selten an das klassische Ergebnis heran.
Brennphasen
mehr InformationenWichtige Phasen im Brand
1. Oxidativ aufheizen bis ca. 1000 °C (um gefährliche Dämpfe zu vermeiden),
2. Reduzierend brennen ab etwa 1000-1250 °C (oft für 30-60 Minuten oder länger),
3. Langsames Abkühlen - wichtig für gleichmäßiges Craquelé und Glasurentwicklung.
Kein Sauerstoff
mehr InformationenReduzierende Brennatmosphäre
Warum?
Eisenoxid ist das farbgebende Element in Seladon-Glasuren. Damit es grün wird, muss es in einer reduzierenden Atmosphäre gebrannt werden. Dabei entzieht man dem Brennofen gezielt Sauerstoff (z. B. durch unvollständige Verbrennung von Gas oder Holz), wodurch das Eisen in der Glasur chemisch reduziert wird - von Eisen(III)-oxid (rotbraun) zu Eisen(II)-oxid (blassgrün-blau).
Ergebnis:
Das Eisen erzeugt die typisch weichen, jadegrünen bis bläulich-grünen Farbtöne, die Seladon auszeichnen.
Fazit
mehr InformationenFür authentisches, tiefes Seladongrün braucht es
• Reduzierender Hochbrand
• Steuerbarer Ofen (Gas oder Holz)
• Glasur mit Eisenoxid (meist 0,5-3 %)
• Feingefühl für Temperatur und Atmosphäre
Welche Tonarten eignen sich für Seladon-Glasur?
Für Seladon-Glasur eignen sich besonders helle bis mittelhelle Steinzeugtone und Porzellane, da sie die transluzente, zarte Farbwirkung der Glasur am besten zur Geltung bringen.
Porzellan
Hartporzellan / Weichporzellan
Egal ob hiher oder niedriger Kaolinanteil, es wird strahlend weiß. Das ist ideal für sehr klare, jadeartige Seladone mit starker Lichtdurchlässigkeit
Vorteil
Weißer Scherben, glatte Oberfläche, kein Eigenton des Tons - daher kommt die Glasurfarbe sehr 'rein' heraus
Nachteil
Schwierig zu bearbeiten (schwindet stark, empfindlich beim Drehen)
Heller Steinzeugton
(weiß oder cremefarben)
Sehr gute Basis für Seladon - etwas robuster als Porzellan, aber ähnlich neutral im Einfluss auf die Glasurfarbe
Vorteil
Lässt das typische blassgrün bis blaugrün besonders schön erscheinen
Beliebt bei Studiokeramikern, weil er gut formbar ist
Nachteil
nicht so 'klar' wie Porzellan
Schamottierter, heller Ton
0.2 - 0.5 % | 20 %
Wenn die Schamottierung fein ist, funktioniert Seladon auch hier gut - besonders für größere Stücke oder rustikalere Oberflächen
Tipp: Die Glasur sollte etwas dicker aufgetragen werden, um trotz der unruhigen Oberfläche Tiefe zu zeigen.
Frustrierte Tutorin
Weniger geeignete Tone und Tipps
Stark eisenhaltige Tone
mehr Informationenz. B. rötliches Steinzeug oder Terrakotta
Eisen im Ton kann mit dem Eisen in der Glasur reagieren → unerwünschte Verfärbungen (z. B. Braun-, Oliv- oder Schlammfarben)
Die helle Transparenz und Tiefe von Seladon geht verloren.
Schwarzbrennende Tone
mehr InformationenManganhaltige Massen
Die Glasur erscheint darauf oft „verschluckt“, da der Untergrund zu viel Licht absorbiert
Nur gezielt als Effekt interessant - etwa wenn du dunklere Kontraste wünschst
Tipps
• Testplatten sind Pflicht: Seladon reagiert empfindlich auf Ton, Glasurdicke und Brand - also lieber vorab testen.
• Engoben als Trick: Willst du dunklen Ton verwenden, kannst du eine helle Engobe (z. B. Porzellanengobe) auftragen und dann Seladon glasieren - so kombinierst du Struktur und Farbwirkung.
Für die klassisch schöne Seladon-Ästhetik ist weißer oder sehr heller, eisenarmer Steinzeugton oder Porzellan die beste Wahl. Sie lassen die subtilen Grüntöne und das Craquelé optimal wirken - zart, lichtdurchlässig und lebendig.
Wie wie entsteht Craquelé und beeinflusst Ton die Craquelé-Bildung?
Craquelé (auch: Haarrisse, Netzrisse) entsteht nach dem Brand beim Abkühlen, wenn die Glasur und der Tonkörper unterschiedlich stark schrumpfen. Wenn die Glasur weniger stark schrumpft als der darunterliegende Ton, reißt sie in feinen Mustern auf - das charakteristische Craquelé.
Der Ton beeinflusst die Craquelé-Bildung bei Seladon-Glasuren auf mehreren Ebenen entscheidend - insbesondere durch seine Schrumpfungseigenschaften, chemische Zusammensetzung und Porosität. Hier die wichtigsten Faktoren:
1.
Thermische Ausdehnung (TEC = Thermal Expansion Coefficient)
• Jeder Ton hat einen bestimmten Ausdehnungskoeffizienten.
• Wenn der Ton mehr schrumpft als die Glasur, entsteht Zugspannung → Craquelé-Risse.
• Wenn der Ton weniger schrumpft, kann es zu Kriechbildung oder Abplatzen kommen, aber kein Craquelé.
Ideal für kontrolliertes Craquelé:
→ Ton mit etwas höherem Schrumpfverhalten als die Glasur.
→ Besonders bei Porzellan oder dichtbrennenden Steinzeugen gut steuerbar.
2.
Brenntemperatur & Sinterverhalten
• Stark gesinterte Tone (z. B. Porzellan bei 1280 °C) bilden oft feinere, subtilere Craquelés, da die Glasur dünner aufliegt und die Oberfläche sehr glatt ist.
• Weniger gesinterte Tone (z. B. offeneres Steinzeug) erzeugen oft kräftigeres, groberes Craquelé, weil die Glasur mehr in den Ton einsinkt und größere Spannungen entstehen.
3.
Porosität und Oberfläche
• Glatter Ton (wie Porzellan) → feines, haarliniges Craquelé.
• Grob schamottierter oder offener Ton → unregelmäßigeres, teilweise kräftigeres Craquelé.
• Die Textur des Tons kann zusätzlich beeinflussen, wie sichtbar und betont das Craquelé nach dem Brand erscheint.
4.
Feinanteil und Trockenschwund
• Tone mit hohem Plastizitätsanteil (viel Tonmineral) neigen zu stärkerer Schrumpfung beim Trocknen und Brennen → mehr Spannungsunterschied zur Glasur → mehr Craquelé-Potenzial.
• Tone mit vielen Sanden oder Schamotten sind weniger schrumpffreudig → oft weniger oder kein Craquelé bei gleicher Glasur.
Weitere Einflussfaktoren (indirekt vom Ton abhängig)
• Dicke der Glasur: Auf hellen, glatten Tönen zeigt sich Craquelé stärker, wenn die Glasur dicker ist.
• Farbkontrast: Craquelé ist sichtbarer auf hellem Ton (z. B. bei leichtem Einfärben mit Tee oder Tinte nach dem Brand, um Risse zu betonen).
• Feuerführung: Unterschiedliche Abkühlgeschwindigkeiten können das Spannungsverhältnis zwischen Ton und Glasur beeinflussen.
Ton-Eigenschaft Auswirkung auf Craquelé
Hohe Schrumpfung
Glatte, dichte Oberfläche
Offene, raue Struktur
Heller, eisenarmer Ton
Schamottierter Ton
Fördert Craquelé
Feines, gleichmäßiges Craquelé
Unregelmäßiges, stärkeres Craquelé
Macht Craquelé sichtbarer (optisch stärker betont)
Geringeres Craquelé-Potenzial
Die Brenngeschwindigkeit - also wie schnell ein Keramikstück im Ofen aufgeheizt und wieder abgekühlt wird - hat deutlichen Einfluss auf das Craquelé-Verhalten, insbesondere während der Abkühlphase nach dem Hochbrand. Das liegt daran, dass Glasur und Scherben unterschiedlich auf Temperaturveränderungen reagieren, was zu Spannungen führt - genau das, was Craquelé erzeugt.
Wie beeinflusst die Brenngeschwindigkeit das Craquelé?
1. Langsame Abkühlung → Weniger Craquelé oder feineres Muster
• Der Scherben und die Glasur haben mehr Zeit, sich gemeinsam abzukühlen und Spannungen abzubauen.
• Die Glasur bleibt länger weich, kann sich besser an den Tonkörper anpassen.
• Ergebnis: Weniger Risse oder sehr feines, kaum sichtbares Craquelé.
2. Schnelle Abkühlung → Mehr Craquelé, stärkeres Muster
• Der Scherben zieht sich schneller zusammen als die Glasur, weil er früher unter seine Erweichungstemperatur sinkt.
• Die Glasur ist noch leicht elastisch, aber wird dann schnell spröde, während der Ton schon schrumpft → Spannung reißt die Glasur auf.
• Ergebnis: Stärkeres, deutlicheres Craquelé, oft gröber und unregelmäßiger.
Einfluss je nach Temperaturphase:
Phase
Aufheizen (bis 1000 °C)
Hochbrand (1200-1300 °C)
Abkühlung (900-300 °C)
langsam
Kaum Einfluss auf Craquelé
Gleichmäßiger Glasurverlauf
Weniger Spannung → feineres Craquelé
schnell
Kaum Einfluss, außer bei Schockrisiken
Risiko für unvollständiges Schmelzen
Mehr Spannung → stärkeres Craquelé
Welche Glasurdicke fördert typisches Seladon-Craquelé?
Die Glasurdicke ist ein zentraler Faktor für die Entstehung und das Erscheinungsbild von typischem Seladon-Craquelé. Eine bestimmte Dicke fördert die Spannungsbildung beim Abkühlen, was die charakteristischen feinen Risse - das Craquelé - hervorrufen kann.
Fördert die Entstehung von Craquelé, weil:
- Die Glasur dicker ist und beim Abkühlen mehr Spannung aufbaut.
- Die Oberfläche langsamer abkühlt als der Ton, was zu Zugspannungen und damit zu Rissbildung führt.
Zudem wirken bei dicker Glasur die Farbtiefe, Transparenz und jadeartige Wirkung besonders schön - ein typisches Merkmal von Seladon.
Glasurdicke & Craquelé im Vergleich
Glasurdicke
Dünn (unter 0.2 mm)
Mittel (0.3-0.4 mm)
Dick (ab 0.5 mm)
Effekt auf Craquelé
Kaum oder gar kein Craquelé - zu geringe Spannung
Typisches feines Craquelé möglich - gut steuerbar
Stärkeres, oft groberes Craquelé, evtl. auch Laufspuren
Optische Wirkung
Hell, eher blassgrün, teils fast durchsichtig
Weiches Jadegrün, gleichmäßig
Tiefere Farbe, milchiger Effekt, spannender Kontrast
Bei sehr dicker Glasur besteht die Gefahr von Glasurläufern oder unregelmäßiger Oberfläche - also besser auf stehenden Flächen testen.
Wie kontrollierst du die Glasurdicke?
- Tauchen oder Gießen: Je länger du das Stück eintauchst, desto dicker die Schicht.
Faustregel: 2-4 Sekunden für mitteldicke Schicht. - Sprühglasur: Mehrere gleichmäßige Schichten auftragen → einfacher, kontrolliertes Craquelé zu erzeugen.
Rückseite/Standfläche abwischen: Vor allem bei dickem Auftrag wichtig, um Laufgefahr zu vermeiden.
Zusatzeffekte bei dicker Glasur
• Craquelé wird optisch betonter, besonders wenn du es nach dem Brand mit Tinte, Kaffee, Tee oder Farblösung einreibst.
• Tiefenwirkung: Craquelé wirkt bei dickem Auftrag oft wie 'eingebettet' in Glas - fast wie Adern in einem Kristall.
Für typisches Seladon-Craquelé ist eine mittlere bis eher dicke Glasurschicht (0.3-0.5 mm) ideal. Sie erzeugt ausreichende Spannungen beim Abkühlen, damit sich das feine Rissnetz bildet - gleichzeitig bleibt die zarte Farbwirkung erhalten. Zu dünn → kaum Craquelé, zu dick → Risiko für Läufer, aber oft eindrucksvoll.