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Einführung in die Vielfalt der japanischen Teeschalen

Chawan (jap. 茶碗) ist japanisch für Teeschale. In Japan hat sich, auch durch den chinesischen Einfluss, eine große Teekultur entwickelt die auch ins nationale und vor allem ins kulturelle Erbe eingeflossen ist. Der Chawan ist eines der wichtigsten Utensilien in der Japanischen Teezeremonie, dem chadō. Die Teezeremonie folgt in ihrem Ablauf seit vielen Jahrhunderten bestimmten Regeln. Bei der Zusammenkunft mit einem oder mehrere Gästen bekommen diese von einem Gastgeber Tee und leichte Speisen gereicht. Es ist ein zeremonieller Akt der zu Hause oder in einem bewusst schlicht eingerichteten Teehaus statt findet. Neben der japanischen Teezeremonie gibt es noch unter anderem noch die Chinesische und die Koranische. Alle sind in ihrem Kern, der Findung der inneren Ruhe gleich, variieren jedoch in ihrem Ablauf und der verwendeten Utensilien.

Woher kommt der Chawan?

Seinen Ursprung hat der klassische Chawan in China. Dort wurde er von buddhistischen Mönchen des Klosters am Berg Tianmu (jap. Tenmoku) für das Trinken ihres Tees genutzt. Auf ihren Reisen erwarben japanische Mönche diese neue Form der Teeschalen und brachten sie mit zurück nach Japan. Im Buch Nihon Koki wird erwähnt, dass erstmals Tee in Japan in der Heian-Zeit, also vor ca. 1200 Jahren getrunken wurde. Jedoch war dieses Recht nur der der kaiserlichen Familie, Aristokraten und Mönchen vorbehalten. Der Rest der Bevölkerung sollte schließlich betriebsam sein und die Zeit nicht mit Tee trinken vergeuden!

Japanisches Teehaus

Im Laufe der Jahrhunderte änderte sich dies und im 12. Jahrhundert hatte sich der Brauch des Teetrinkens in ganz Japan verbreitet. Der Chawan hatte sich bis dahin in allen Schichten der Gesellschaft verbreitet und es wurde nach immer mehr Teeschalen verlangt. Um dem langen Warentransport und einer Beschädigung der Chawan entgegenzuwirken, begannen die Japaner in Seto (der heutigen Präfektur Aichi), ihre eigenen Kopien der Chawan zu fertigen. Sie erlange schnell Bekanntheit und ist bis heute als Seto-Keramik in ganz Japan zu finden. Die Seto-Keramik gehört in der heutigen Zeit zu den Rokkoyō, „die Sechs alten Brennöfen Japans“. Darunter werden die ersten Stätten der japanischen Keramik zusammengefasst. Es ist aber tatsächlich davon auszugehen, dass es in Wirklichkeit über 30 Zentren der Keramikherstellung gab.

Wabi-Sabi und die Wabi-Tee-Zeremonie

In der Muromachi-Zeit (1336-1573) gelangte ein neues Konzept, die Wabi-Tee-Zeremonie, zu großer Beliebtheit. Wabi-Sabi ist ein ästhetisches Konzept, welches speziell der Wahrnehmung von Schönheit und Schlichtheit gewidmet ist. Es ist eng mit dem Zen-Buddhismus verflochten und ist eine Entsprechung zur ersten der buddhistischen Vier Edlen Wahrheiten, Dukkha.

Bei der Wabi-Tee-Zeremonie erfreute sich schnell eine anderer Chawan großer Beliebtheit. Der Ido-Chawan (井戸茶碗) stammt ursprünglich aus Korea und wurde dort hauptsächlich für Reis verwendet. Der buddhistische Mönch Sen no Rikyu (Tenshō-Ära, 1573-1592) bevorzugte diese neuartigen Chawan wegen ihrer rauen Schlichtheit. Auch hier war der Transport ein Problem und er wandte sich an den Dachziegelmacher Chōjirō. Beide waren eng mit dem Bhuddismus vertraut und entwickelten eine Teeschale, die dem buddhistischen Minimalismus gerecht wurde: Der Raku-chawan (楽茶碗).

Raku-Keramik als Herzstück

Diese Raku-Keramik ist die erste japanische Eigenentwicklung für den Bereich der Teezeremonie und Chawan, wodurch sie bis heute ein sehr hohes Ansehen geniest. Das ist aber nur einer der Gründe, warum Raku-Keramik an erster Stelle kommt. Ein weiterer Grund ist, dass bei der Fertigung dieser Keramik die Kunst und das Handwerk verschmelzen. Seiner Zeit wurden Raku-chawan einzeln in Holz befeuerten Ofen gebrannt. Die technischen Anforderungen an die Töpfer sind hoch, da der verwendete Ton hohen Belastungen während des Brandes ausgesetzt ist. Zum anderen ist es ein enormer Kraft- und Ressourcen-Aufwand, einen Holzofen auf über 1000 °C zu heißen und zu halten. Mit diesem Hintergrundwissen ist es leicht zu verstehen, dass die ersten 7 Raku-chawan, die Rikyu Shichi-shu, jeweils eigene Namen besitzen. Es handelt sich um die 3 schwarzen (黒楽, kuro-raku) Chawan: Oguro, Hachibiraki und Toyobo und die 4 roten (赤楽, aka-raku) Chawan Hayabune, Kimori, Kengyo und Rinzai. Weil sie so spannend ist, haben wir euch eine detailierte Beschreibung von der Raku-Technik und über Raku-Keramik zusammengestellt.

Im weiteren Verlauf der Geschichte kamen immer Techniken, Glasuren und Philosophien für die Herstellung von Chawan hinzu. Ein nicht wegzudenkendes Beispiel ist die nach ihrem Erfinder, dem Samurai und Teemeister Furuta Oribe, benannte Oribe-Keramik mit ihren Markanten Kutsugata chawan.
Die Kutsugata chawan (jap. 沓形茶碗) sind Teeschalen in Schuhform. Es fällt nicht leicht, die Form mit einem Wort zu beschreiben, meinem Erachten nach, ist „organisch“ am zutreffendsten. Die eigenwillige Form ist prägnant für Teeschalen im Oribe-Stil.

schwarzer kutsugata Chawan

Diese wurden seit ihrer Erfindung in Mino-Öfen (Töpfereien) hergestellt werden. Die ersten Hinweise auf diese Keramiken finden sich in den Aufzeichungen eines reisenden Kaufsmanns. Er traf im 16. Jahrhundert in Oribes Teeraum ein und nahm an einer Teezeremonie teil. Dort wurde, so wörtlich „Für den usucha (dünner Tee) kam wunderbar gewölbte Seto-Keramik zur Anwendung.“ verwendet. Die Beschreibung passt perfekt auf die in „Schuhform“ gestalteten Chawan. Die ersten genauer datierbaren Beweise tauchen erstmals in den „Aufzeichnungen für Anhänger des Tees“, z. B. den Chaki bengyoku shu (Unterschiede feiner Teeutensilien, 1671) auf. In diesen ist in der Kategorie „neue Öfen“ (nochigama) von „Furuta-Oribe-Keramik“ die Rede. Die Teeschalen sind als persönliche Übungspraxis des Tees deklariert.

Hochbrand Hangofen

Die Ofen-Revolution: Der Hang-Ofen

Die seit der Raku-Keramik verwendeten Öfen konnten die Teeschalen nur einzeln gebrannt werden. Seit der Verwendung von Hangöfen konnten erstmals mehrere Chawan gleichzeitig gebrannt werden. Diese Öfen werden in Hänge von Hügeln gebaut, wodurch sie die Konvektion der Verbrennungsgase nutzen können, um besonders hohe Temperaturen zu erzeugen. Hangöfen werden über 60 Stunden gefeuert und halten die 1300 °C Brenntemperatur über eine lange Zeit. Aufgrund dessen werden die Öfen meist an Plätzen gebaut, in deren Umgebung die benötigten Rohstoffe wie Ton, Brennmaterial und viel Wasser, zur Verfügung stehen. Diese hohen Temperaturen haben vermutlich zu der Schuhform der Oribe-Keramik geführt. Der Chawan hat die Temperaturen nicht wie erwartet vertragen und begann sich zu verformen. Bis dahin wurden in Japan Grubenöfen verwendet. Diese haben zwar nur ein kleines Fassungsvermögen, sind aber sehr gut Steuerbar. Die nun verwendeten Hangöfen besitzen eine enorme Kapazität, lassen sich jedoch nur schwer steuern.

Ursprünglich wurden diese verformten Keramiken als Ausschuss betrachtet. Jedoch gemäß der Wabi-Sabi-Philosophie gibt es keinen Ausschuss. Die Teemeister maßen gerade diesen Chawan aufgrund ihrer nicht perfekten Form eine besondere Bedeutung zu, da sie mit den Prinzipien des Tees (chadō) in Verbindung stehen. Dies führte später dazu, dass die Töpfer die organische Form übernahmen und Chawan bewusst in diesem neuen Stil zu gestalten.

Japan und seine Teekultur ist ein sehr spannendes und sehr umfassendes Thema. Wir haben Euch in einem Teil II die wichtigsten japanischen Teeschalen, ihre Formen und die  jeweiligen Besonderheiten zusammengefasst.